Gleichmäßiges Ein und
Aus…tschitt…pfuh…tschitt…pfuh…tschitt…pfuh
Der Brustkorb hebt und senkt
sich im Rhythmus der ihn bestimmenden Maschine. Ganz ruhig liegen die dichten
Wimpern auf den leicht geröteten
Immer wieder sucht seine
Hand die ihre. Sein hoffender Blickt verweilt auf ihren Augen, ihrem Mund.
Keine Regung, schon so lange nicht.
„Bitte wach auf, wir warten
auf dich, du fehlst uns so sehr.“
Tschitt…pfuh…tschitt…pfuh…tschitt…pfuh…unermüdliches
Wirken dieser Maschine durchbricht die Stille nicht mehr, sie ist ein Teil des
Raumes, des reglos liegenden Menschen geworden.
Seine Blicke folgen der
Zackenkurve auf dem kleinen Monitor. Wie fremd ihm das alles ist und doch
mittlerweile wie ein Freund, der einzig und allein ihm zeigen will, dass er
niemals die Hoffnung aufgeben soll. Es bewegt sich ja noch etwas.
Die Schwester eilt durch den
Raum und bringt einen Hauch Zigarettengeruch aus ihrer kurzen Pause mit.
Sie überprüft alle Geräte,
macht sich Notizen, legt einen Tropf an…Ihm wird kalt. Sein Mund ist wie
verklebt. Kein Wort kommt über seine Lippen. Wie oft hat er auf einen
aufmunternden Blick, ein fröhliches „ nun wird alles gut!“ gewartet. Aber in
den letzten drei Monaten werden die Blicke, die Gesten immer seltener. Ja
sicher, was sollten sie auch schon Großartiges sagen? Für sie ist das eine
Akte, ein Karteiblatt, ein Tropf, eine Magensonde, ein Beatmungsgerät.....
Nur seine leisen Gespräche
mit diesem geliebten Menschen bleiben ihm. Die Freunde, wo waren sie? „Nein,
nun werde ich ungerecht, sie sind immer da, wenn ich sie rufe, sie schauen nach
ihr, wenn ich zur Arbeit fahre, sie rufen an und versuchen, mich dem Alltag
hier zu entreißen, aber ich lasse es nicht zu, ich will so oft wie möglich bei
dir sein, dir zusehen, wenn du erwachst.“
Sein Blick geht nach
draußen. Die Sonne scheint in das Fenster und sein Frösteln von eben ist
vergessen. Sacht legt er ihre Hand auf die Bettdecke und steht auf.
„Schau Liebes, ich öffne nun
für dich das Fenster. Wie sehr hast du immer den Frühling mit all den Gerüchen
und Stimmen geliebt.“
Er schaut nach draußen. Hier
im Erdgeschoss geht der Blick durch den Park. Ein geschäftiges Treiben und
muntere Gesänge in den Bäumen und Büschen zeigen an, dass die Paarsuche
beginnt.
Er geht zurück zum Bett,
setzt sich müde auf den harten Stuhl und nimmt die kühle Hand wieder wärmend in
seine.
Da, aus dem ganzen
Stimmengewirr heraus hebt sich eine Stimme, gewaltig, mächtig, jubilierend…der
winzige und doch so stimmgewaltige Zaunkönig, direkt vor dem Fenster in dem Busch
muss er sitzen.
Unermüdlich schmettert er
seine Partitur, sein Werben, sein Frohlocken…
Da, er meint ein Zucken in
seiner Hand zu spüren, sein Blick umfasst die Frau vor ihm, ihm stockt der
Atem… „Du bist wach, ich fühle es, mach die Augen auf, Liebling, ich bitte
dich“
Und dann, ein winziges
Flattern der Wimpern, ein kaum wahrnehmbares Verändern der Lippen…mühsam, als
wolle sie lächeln. Fast fragend neigt sich nun der Kopf, als lausche sie dem
herrlichen, erweckenden Gesang…
1998