Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer aber nicht, der lasse es ungelästert und ungetadelt. Dem habe ich nichts geschrieben. Ich habe für mich geschrieben. (Jakob Böhme)

Ich verlasse mein Traumschloss




Musik tönt durch die Räume, alle Türen sind weit geöffnet, ich tanze singend treppab, treppauf und wieder treppab, 12 Zimmer, vier Bäder…alles meins, für mich alleine, nicht mehr nur für den Augenblick der Ruhe, wenn die Kinder zur Schule sind oder bei ihren Aktivitäten, sondern ganz und gar.
Ja, hier sind die Zimmer der vier Kinder; ein paar Bilder, das eine oder andere Kuscheltier, Bücher, die sie hier ließen atmen noch Leben, da - die beiden Gästezimmer waren 25 Jahre lang bis vor 2 Jahren nacheinander das Zuhause meiner Oma, meiner Tante, meines Opas…alle meine Lieben, die meine Kindheit begleitet hatten, die mir Kindheit schenkten, fanden hier ein letztes liebevolles Heim.
Schon wirbele ich durch das ehemalige Büro meines Mannes, als einzige Räume noch nicht wieder eingerichtet wirken sie ein wenig trist, na klar, Farbe und neue Vorhänge müssen hier rein, denn hier war auch sein Raucherdomizil, aber schnell weiter in meine Praxis und wieder zurück in den Wohnbereich.
Die Terrasse, Blick über Kirschplantage zum Wald, Gärten soweit das Auge reicht…ich breite die Arme aus, schließe die Augen, atme, lausche...
Die Musik verklingt, ich erwache aus der Tiefe des Glücks und schaue in mich hinein.
Nach so vielen Jahren Arbeit, des Sorgens, der Tumulte, der üblichen Kinderstreitschlichtungen, dem Toben der Hunde, Kinderlachen übergehend in die Gespräche der Heranwachsenden sind nun alle ausgeflogen. Langsam ging dieser Abnabelungsprozess vonstatten, einer nach dem anderen entwuchs der mütterlichen Hand.
Meine Scheidung reichte ich ein und bin immer noch wie befreit.
Leben, wie in einem Traumschloss, begleitet von meinen beiden Hunden…jetzt mein Leben leben.

Von Zeit zu Zeit, mehrmals in der Woche trudeln sie dann wieder ein, Gespräche führen, ein Anliegen oder einfach nur mal so… Ich bin wirklich ein Glückspilz.

Jahre vergehen, das Haus, das vor unserem Umbau ein Doppelhaus war, ist wieder ein Doppelhaus, es ist einfach viel zu groß für mich allein.
Eine Hälfte bewohnt meine Tochter mit ihrer Familie, durch den Garten toben die Enkel und deren Freunde und ich sitze auf der Terrasse und lausche mit geschlossenen Augen den Geräuschen von früher, die zurückgekehrt sind.
Und ab und zu erinnere ich mich an die Momente, in denen die Musik durch das Haus schallte und ich durch mein Traumschloss tanzen konnte und dann stehe ich auf, schalte die Musik an, beginne mich zu wiegen, zu drehen, zu singen, durch alle Räume, denn auch jetzt ist meine Haushälfte noch riesig für eine Person, bin wieder 50, 40, 30, 20 Jahre alt...und verwundert folgt mir meine erst einjährige Hündin...
Ja, ich lebe Glück

floravonbistram 2005