Wie lange lief ich schon durch den Regen, mit dem sich
meine Tränen mischten? Ich hatte kein Zeitgefühl mehr und auch kein Empfinden.
Leere breitete sich in mir aus. Ich war einfach weggerannt, zerfressen von dem
Kummer und hatte die, die mir helfen wollten, einfach stehen lassen.
Ich sah plötzlich
die Frau, die vor mir ging, genauer. Ging sie eben nicht noch etwas gerader?
Und lief sie nun auch langsamer? Ihre
Schultern zuckten von Zeit zu Zeit und nach jedem Zucken wirkte sie gebeugter
und etwas verkrampfter. Hatte sie nicht eben noch wehendes Haar gehabt? Ich
schüttelte den Kopf über mein Unvermögen, mir ein genaues Bild dieser Frau zu
machen. Sie kam mir so anders vor, als vorhin…vorhin? Wann sah ich sie zuerst?
Ich wusste es nicht einzuordnen. Doch ich war ja auch zu sehr mit meinem
Schmerz beschäftigt, der jetzt, beim daran denken wieder massiv auf mich
einstürmte.
Ein Schluchzen löste sich und mit meinem Ärmel wischte
ich über meine Augen, zuckte aber zusammen, denn ich meinte ein Echo zu hören.
Grau und zusammen gesunken schlich nun die Gestalt vor mir her. Ich
beschleunigte meine Schritte, doch seltsamerweise blieb die Entfernung gleich.
Um mich herum waberte plötzlich ein unerklärlicher Nebel, der nach mir zu
greifen schien. Meine Füße wurden schwerer, doch stemmte ich mich gegen den
stark aufkommenden Wind.
Der Schatten vor mir wirkte noch gebeugter und ganz
deutlich hörte ich lautes Weinen.
„Bitte warten sie, lassen sie sich helfen!“
Meine Stimme
wirkte wie ein Hauch und wurde nicht weiter getragen. Es war, als fiele sie mir
vor die Füße.Erneut versuchte ich es:
“ Lassen sie uns gemeinsam
gehen, das ist sicherer!“
Da drehte sie sich um und ganz deutlich hörte ich die
Stimme:
“Du bist die, die Hilfe braucht. Nimm die Hand, die dir gereicht wird
und du bekommst deine alte Stärke wieder.“
Und sie kam näher und näher und schaute mich an.
Ich sah in ihr freundliches Gesicht und erkannte mich.
In dem Moment erwachte ich.
Flora von Bistram 1968
3 Kommentare:
Liebe Flora, das ist ein kleines berührendes Werklein. Traumgedanken lösen sich mit der Wirklichkeit ab und verlierensich in einen besinnlichen Moment des Ichs und des Seins...
Umarmung und liebe Grüsse
Hans-Peter
Ich kämpf mit den Tränen. Berührend schön
Ganz ganz herzliche Grüße von Beate
Welch eine zarte, berührende Geschichte. Wie sehr können manchmal Träume doch das spiegeln, was uns innewohnt, was wir aber nicht wahrnehmen, weil unser Blick verstellt ist. So verliert man sich, befindet sich außerhalb seines Seins und spürt nicht, wie nah man sich selbst doch sein kann.
Deine Worte werden noch in mir nachklingen...
LG
Enya
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