Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer aber nicht, der lasse es ungelästert und ungetadelt. Dem habe ich nichts geschrieben. Ich habe für mich geschrieben. (Jakob Böhme)

Mein kleiner Weg vor meinem Haus







Vor mehr als hundert Jahren wurdest du zum ersten Mal bebaut, denn unser Haus wurde auf dir 1906/7 errichtet. Vorher dientest du den Grundbesitzern, der Klosterkammer,  als Pfad zum Wald und zu den  Kirschenplantagen.
Gegenüber, auf dem höchsten Punkt unseres Hügels stand ein ehrwürdiges Lokal, Anziehungspunkt besonders für Ausflüge zur Kirschenblüte.
Um dich herum, wie auch noch heute, war die Welt für ein bis zwei Wochen in Weiß getaucht, danach kam das Rosa der Apfel- und Birnbäume hinzu. Weißdornhecken, wild und berauschend duftend, Flieder und Pfaffenhütchen blühten in Folge.


Das Klostergut  auf der anderen Seite des Waldes wollte seine weltlichen Arbeiter dicht bei sich halten und verkaufte kleine Parzellen, damit  die Menschen sich ein Haus bauen konnten.
Wenn ich mir die uralten, vergilbten Pläne anschaue, wird mir klar, wie wichtig Land und Vieh damals waren, denn Stall, Heuboden nahmen mehr Platz ein, als die Zimmer für die Menschen.
Schon 5 und 8 Jahre vor unserem Haus wurden  auf die Ecke des Weges und etwas darunter 2 Häuser gebaut, die auch heute noch da stehen.
Erst 1938 entschloss sich der Förster, sein Haus direkt an den Waldessaum zu bauen und 1958 entschieden die damaligen Besitzer unseres Hauses, einen Teil des Grundstücks zu veräußern  und dort entstand dann 1971 ein Fertighaus.

So blieb es bis heute. Der Weg zu unserem Weg wurde verbreitert, wurde zur Straße und dicht an dicht wuchsen die Ein- und Mehrfamilienhäuser dort empor. Doch wir hatten Glück, die Waldnähe, die historischen Kirschenplantagen wurden zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, hier durfte nicht mehr gebaut werden und so gehe ich auf dir, meinem kleinen Weg die 120 m bis zum Wald, vorbei an den Wiesen und Hecken. Mein Auge schweift weit, wenn ich aus beiden Etagen schaue.
Nun lebe ich hier schon bald 20 Jahre und alles ist vertraut und gehört in mein Leben, die Sonne, die mich in der Frühe wachküsst, der erste Blick in die grüne Oase, das Wandern der Sonne um das Haus, immer die leuchtenden Finger in mindestens ein Zimmer schickend, der Wald, so nah, bei leichtestem Wind mit seinem beruhigenden Rauschen, die Rehe und Böcke, die Füchse und Hasen, die bis an unser Grundstück kommen, vertrauensvoll Futter suchend mit der Gewissheit, das wir wieder die gesammelten Kastanien und Eicheln im harten Winter verteilen, die Eichhörnchen und die Vielfalt der Vögel, die bis ins Wohnzimmer kommen, um eine Leckerei zu erhaschen oder die Fasern aus dem Teppich zu zupfen für ein weiches Nest.

Unser kleiner Weg, eine Sackgasse, die von einer Sachgasse abzweigt…du gibst unseren Kindern Sicherheit, denn hier können sie noch furchtlos ohne Verkehr spielen.

Und im Sommer sitzen wir mitunter einfach nur auf den Treppenstufen, halten mit den beiden Nachbarn ein Schwätzchen und trinken unseren Kaffee, dann umgibt uns ein Hauch von vergangener Zeit, als dieses miteinander reden die einzige Entspannung nach dem harten Tagwerk war.

Dankbar empfinden wir die Ruhe der Natur, die Luft und die Lust des Lebens.

FvB 2005





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen