Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer aber nicht, der lasse es ungelästert und ungetadelt. Dem habe ich nichts geschrieben. Ich habe für mich geschrieben. (Jakob Böhme)

Märchen vom alten Weiblein

von meiner lieben Marianne Reepen (84 J)

Da hockt das Weiblein unter einem schattenspendenden Baum, angelehnt an seinen Stamm. Es fühlt sich geschützt von seiner weiten, runden Krone, deren Zweige sich so tief herunter neigen, dass man es kaum dort im hohen Gras wahrnimmt. Es atmet die frühlingshafte Luft in sich hinein, belauscht das Zirpen der Grillen und beobachtet Käfer und Schmetterlinge, die dort leben.

Das Weiblein liebt diesen Baum, in dessen Inneren es so buntfarben ist, wie ein leuchtender paradiesischer Garten, denn er tr
ägt ein unsichtbares Geheimnis in sich, dass manche Menschen nur erahnen können, wenn sie sich neben es unter den Baum setzen.

In allen Bl
ättern des Baumes verbergen sich Träume, und ab und zu löst sich ein Blatt und fällt dem Weiblein in den Schoß.
Dann beugt es sich zu ihm hinab, nimmt es in die Hand, besieht es liebevoll, streicht ganz sacht mit seinen Fingern
über seine Adern, und plötzlich beginnt das Blatt zu leuchten und ganz feine Melodien von sich zu geben, und nur die Alte kann diese Melodien hören.

Dann nimmt sie eine Feder, die ein Vogel sich ausgerupft hat, um es dem Weiblein zu schenken, und pl
ötzlich geschieht ein kleines Wunder, denn alles beginnt vor Freude zu strahlen, bricht sich durch die Blätter der Baumkrone einen feinen Weg hin zu den Wolken, und die Wolken erröten vor lauter Seligkeit.

So ziehen sie davon
über alle Lande und lassen ab und zu ein winziges Regentropfenglück auf die Erde fallen.

Ob das Weiblein nun noch unter dem Baum sitzt?

Ab und zu gehen Kinder zum Baum und schauen nach ihm...






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen