Ziellos, traurig und einsam gehe ich
durch die Strassen meiner Stadt. Verzweifelt
versuche meine Gedanken zu ordnen, doch es gehen mir so viele Dinge
durch den Kopf, immer wieder kreisend um den Verlust, um die Traurigkeit, um
den Sinn des Lebens. So bemerke ich nicht, dass der Regen ganz sachte nach und
nach bis auf meine Haut vordringt. Ich spüre ihn kaum, denn meine Gefühle sind
nicht außen, sondern ganz in mich gerichtet. Ich fühle Schmerz und lasse meinen
Tränen freien Lauf, kann sie auch gar nicht aufhalten, will es nicht. Und mit
der Zeit vermischen sich Tränen und Regen. Der Regen wäscht aus den Tränen das Salz, welches eine Spur
legt, mir vorauseilt, einen Weg malt. Ich folge dem Weg; wohin er mich führen
wird, frage ich nicht.
Doch nach einer Weile stehe ich dann an
einem See, an dem ich oft verweilte, den ich umrundete, seine Schönheit aufnahm
im Wechsel der Jahreszeiten. Doch nie sah ich vorher in Nebel gehüllt dieses
große Gebäude. Zuerst noch ganz
verschwommen, aber immer deutlicher erscheinen die Umrisse einer Burg? Nein, es
ist ein Schloss. Und während ich wie gebannt schaue, spüre ich einen Hauch an
meiner Seite. Eine strahlende Frau nimmt
meine Hand: " Komm, folge mir und habe keine Angst" und furchtlos
lasse ich mich führen auf unbekannten Pfaden in Richtung Schloss. Erschien mir eben noch dieses noch fast mit
der Hand berührbar nahe, merke ich nun, dass der Weg beschwerlich ist. Durch
Schluchten der Verzweiflung und des Kummers, aber auch über Brücken von Hass
und Misstrauen führt er bis zum Tal der
Hoffnung und der Zuversicht. Endlich erreichen wir es. Da stehe ich vor ihm in
seiner ganzen Pracht, Türme besetzt mit den Farben der Sonne und des Himmels.
Fenster so strahlend wie die schönsten Edelsteine auf der Welt. Und Türen so
schön und groß, wie ich sie nie gesehen
habe. Noch einmal hörte ich die sanfte Stimme: "keine Angst, komm und
folge mir"!
Das Tor des Schlosses öffnet sich auf
ein leises Händeklatschen. „ Wir betreten jetzt den Saal der Wünsche.“ Wie ein
Lied erklingt die sanfte Stimme und von der Decke regnen Millionen Blätter von
Rosenblättern herunter. Gerade als ich etwas sagen möchte, berührt mich die
zarte Hand: " Sag nichts, schau und nimm das, was Du siehst, in Dein Herz
auf, denn nur Du weißt, was Traum und Wirklichkeit ist".
Ich nicke und wir gehen durch die Säle
der Hoffnung und Zuneigung, folgen dem hellen Schein, der uns den Weg zeigt.
Und ganz in der Ferne höre ich Musik und eine wunderschöne, sphärengleiche
Stimme singt ein Lied. Wir erreichen eine wunderschöne, mit goldenen Ornamenten
über und über bedeckte große Tür, mit geschnitztem Schriftzug und Rubinen
belegt: "Nur der darf eintreten, der begriffen hat, dass man Träume leben muss."
Ich nicke: „ Ja, ich kann Träume leben.“
Mit diesem Satz, (habe ich ihn gesprochen oder nur gedacht?), trete ich ein.
„Der Saal der Liebe!“ Ihre Stimme wird
noch sanfter, noch lieblicher. In dem
Moment, in dem wir den Raum betreten scheint die Sonne durch die hohen Fenster
und lässt alles in fast unirdischem Glanz erstrahlen.
Ein Lichtspiel, gleich einem glitzernden
Regenbogen bildet sich. „Schau dich um,
geh in den Regenbogen, denn jeder, der so träumen kann wie du, hat das Leben
verstanden". Die Lichtgestalt greift in den Sonnenbogen, ergreift einige
Sonnenstrahlen, haucht mir auf jede Wange einen Kuss, zart wie ein
Schmetterlingsflügel in der Berührung, legt mir das Strahlenbündel auf meine
Brust. „Nimm die Sonnenstrahlen, bewahre sie gut auf und immer, wenn es Dir
nicht gut geht, dann denke daran, dass Du die Sonne in deinem Herzen trägst und
dass es hier im Schloss jemanden gibt, der dich liebt.“
Noch einmal berührt sie ganz leicht mein
Gesicht, ich schließe meine Augen, denn ein Schauer durchrinnt mich, unbekannt,
umhüllend und beruhigend. Ein leises Klingen ertönt und ich öffne benommen
meine Augen. Ich reibe sie, schaue mich um und finde mich langsam wieder
zurecht. Ich sitze an meinem See und weiß genau, dass ich eine Frau kennen gelernt
habe, auf die ich mich ganz bestimmt immer verlassen kann, denn ich trage ja
Ihre Sonnenstrahlen im Herzen.
Aus meinem Schulheft 1965