Was für eine Drängelei. Jochen hielt
in beiden Händen bereits mehrere Einkaufstüten, die Ingrid ihm bereitwillig
überlassen hatte, wie sie es nannte - er
hätte es aufzwingen genannt.
„Sieh doch nur!“ flötete die ihm noch Angetraute,
zeigte wieder in ein Schaufenster, an dem er am liebsten sofort vorbeigehetzt
wäre. Er nickte und dachte nur an sein Auto, ach nein, das Leihauto auf dem
Parkplatz ohne Schatten, in dieser Stadt, die ihm heute auch völlig schattenlos
vorkam, denn die Sonne brannte, sobald man ins Freie trat, die Kopfhaut glühte,
die Ohrläppchen waren sicher schon verschmort, denn er hatte seine Kappe im Wagen
liegen gelassen.
Wessen Idee war das eigentlich
gewesen, das vollklimatisierte Haus in Los Monteros, dicht am Meer zu
verlassen, um eine Shoppingtour durch Marbella zu machen? Seine doch bestimmt
nicht und was hatte ihn geritten, dem auch noch zuzustimmen?
Schon die Urlaubsplanung war der
größte Blödsinn gewesen, denn die Ehe bestand nur noch auf dem Papier. Aber
nein, man wollte ja unbedingt in Freundschaft auseinender gehen, hm, war auch
nicht sein Wunsch gewesen, doch wie immer hatte er nachgegeben.
Dieses wie immer wühlte in ihm, ja,
wie immer latschte er hinter der Kaufsüchtigen wie ein Lakei her, schleppte
ihre Klamotten, schwitzte sich einen Wolf und musste sich auch noch immer
wieder in die Ohren kreischen lassen:“Ach, sieh doch nur…!“
So hatte es auch begonnen, denn dieser
- nun bis zum Erbrechen oft gehörte -
Satz war der Beginn seiner ganzen Lebensniederlage.
Bei diesem Satz, bekam er, als er ihn
das erste Mal hörte, eine fette Ohrfeige, sicher nicht beabsichtigt, denn
Ingrid holte mit weiter Geste aus, um ihrer Begleiterin einen See zu zeigen,
der verträumt zwischen Weiden und Gebüsch in der untergehenden Sonne funkelte
und ihre Rückhand traf ihn, der im gleichen Moment mit seinem Hund aus dem
Gebüsch, hinter dem sich ein schmaler Trampelpfad verbarg, trat.
Von der Wucht völlig benommen spielte
sich nun ein völlig neues Leben für ihn ab, denn ehe er sich wieder erholt
hatte, war er auch schon mit der Schlaghand, nein, natürlich mit der daran
hängenden Frau verheiratet.
So kam es ihm auf jeden Fall jetzt in
der Rückschau vor. Wie alles wirklich verlief, hm, konnte er sich wirklich
nicht mehr an schöne Zeiten erinnern? Er hatte viel gearbeitet, immer ein gutes
Händchen für Geschäfte gehabt, Haus, Autos, Ferienhaus, alles kam mit den
Jahren, schneller, als gedacht, nur ein Kind, das er sich so sehr wünschte,
blieb ihnen versagt, nein, falsch, nicht ihnen, sondern ihm, denn sie wollte
keins.
„Mausebärchen, wir haben doch noch
Zeit, lass uns erst mal genießen, was wir haben“, zwitscherte sie die ersten
Jahr, dann: „ Haben wir es denn nicht schön? Ich glaube, ich könnte gar nicht
damit umgehen, denn Kinder sind so laut und immer schmutzig….“.
Auf jeden Fall wurde ihm bewusst, dass
er sich immer wieder hatte lenken und manipulieren lassen, sich immer nur
halbherzig aufgelehnt hatte, um dann eines Tage zu erfahren:
„Ach Schatz, wir sollten uns scheiden
lassen, bei uns ist die Luft raus, aber wir wickeln alles in aller Freundschaft
ab, lief doch immer alles gut…!“ Bla, bla, bla!
Er atmete durch, der Schweiß lief ihm
in die Augen, mit dem Handrücken wollte er ihn abwischen, dabei riss der Henkel
der Edelpapiertüte mit dem Superlogo und es rutschten gleich zwei Bikinis und
ein Pareo heraus und schon lagen sie hübsch anzusehen in dem Tagesstaub des
Gehsteigs.
„Jooooochen!“
Ich bekomme gleich einen Tinnitus,
wenn sie mir noch mal in das Ohr schreit, schoss es ihm durch den Kopf.
„Kannst du denn nicht aufpassen? Nun
heb sie schon auf oder soll das da liegen bleiben, ich gehe inzwischen hier
rein, die haben ja soooo schöne Kleider!“ Sie sprach es und entschwand.
Da stand er und lachte laut los. ´Ich
Idiot, ich alter Trottel, ich bin doch selber schuld. Wieso lasse ich das
eigentlich schon 12 Jahre mit mir machen? Das ist jetzt vorbei, aus und
vorbei`.
Immer noch lachend ging er durch das
kleine Portal des bekannten Ladens, rief kurz, aber sehr laut: „Ingrid!“ und
schüttelte, als sie sich umdrehte, den Inhalt aller Tüten auf den Boden, warf
den Auto- und Hausschlüssel sowie das Mäppchen mit den Papieren hinterher, rief
noch ein fröhliches: “Schönen Urlaub noch“ und verließ pfeifend den Tempel mit
den zu Marmor erstarrten Figuren, die ihm form- und gesichtslos in ganz kurzer
Erinnerung blieben, denn schon an der nächsten Straßenecke stand ein Taxi, mit
dem er sich in ein ganz normales Strandhotel fahren ließ, um dort, fern ab von
jedem Schicki - Micki einen Urlaub zu verleben, Urlaub, wie er ihn schon ewig
nicht mehr hatte, voller Entspannung, schäkern am Strand, Sangria und Paella
und dem Bewusstsein, zu leben - das ganz normale Leben zu leben.
floravonbistram
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