Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer aber nicht, der lasse es ungelästert und ungetadelt. Dem habe ich nichts geschrieben. Ich habe für mich geschrieben. (Jakob Böhme)

Irreale Tage




 Ich möchte mich  in mich verkriechen und die laute, hektische Welt ausschließen. Unerbittlich schleudert mich der schrill schreiende Wecker aus dem Bett und die eiskalten Füße fassen kaum Tritt. Das Zimmer dreht sich, flieht vor mir...oder ich in und mit ihm... und schleudert mich ins Bad. Blind zeichnet der Spiegel dampfende Konturen, die nach mir zu greifen scheinen. Ich wehre ab, reiße keuchend das Fenster auf. Luft, die erstarren lässt und doch etwas Antrieb gibt.
Anziehen, frühstücken..der Kühlschrank reißt sein zahnloses, leeres Maul auf und will mich einsaugen, um Fülle zu spüren.
Ich muss etwas einkaufen, sie wollen mich heute besuchen...die, die ich nicht sehen will.

Der Weg zum Geschäft erscheint mir unendlich lang. Lagen da schon immer die Pflastersteine so unangepasst, ließen ihre Kanten mich schon häufiger stolpern? Ich fühle tief in mir die hämischen Blicke derer, an denen ich versuche, unsichtbar vorbei zu huschen. Gelächter oder ist es nur das Klappern anderer Schuhe? Ich weiß es nicht.
Stakkato der Sonne, denn die rasenden Wolken verhüllen, lassen frei, verhüllen, lassen frei... geblendete Augen zusammengekniffen,  Herzschlag dröhnt in den Ohren.
Stimmengewirr, kreischend, sich überschlagend, mir fällt mein Kleingeld prasselnd auf die metallene Umkleidung des Fließbands und verschwindet unter und neben riesigen Füßen, die bedrohlich näher kommen.
Ich flüchte, noch das dumpfe Dröhnen der ineinander knallenden Einkaufswagen zwischen meinen Schultern spürend.
Auspuffgase wollen mich ersticken, Motoren heulen meinen Totengesang und doch...
ich erreiche meine Wohnung, schließe gehetzt die Tür, bevor ich an der Wand runterrutsche und mich weinend umschlinge.

Flora von Bistram 1972
Aus meiner Sammlung aus Gesprächen

„Begegnung mit Menschen am Rande“

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