Katharina hielt sich für einen vollkommen toleranten Menschen, doch was sie da sah, war einfach nur abstoßend asozial. Das war das, was ihr dazu einfiel.
Da saß er doch schon wieder in seinem Garten, in Unterhemd und flatteriger Turnhose, die sicher auch schon bessere Zeiten gesehen hatte und winkte freundlich, mit einem verschmitzten Grinsen in dem stoppeligen Gesicht herüber. Sie nickte verhalten zurück, wandte sich dann aber schnell wieder ab. Ihr perfekt geschminktes Gesicht wirkte kühl, fast angewidert. Wie konnte sich ein Mensch nur so gehen lassen und sich dabei auch noch in der Öffentlichkeit zeigen!
Sie wollte zurück ins Haus gehen, um ihren eleganten, hellgrauen Kaschmir - Blazer gegen eine leichte, aber natürlich pingelig gebügelte Bluse zu tauschen, blieb aber noch mal stehen, um das einzige leicht angewelkte Blatt ihres Oleanders zu entfernen. Ihr Blick fuhr ein zweites Mal prüfend über ihre große Terrasse. Kein Staubkörnchen lag darauf, keine Erdspuren und nicht ein vertrocknetes Blatt, einfach nichts, alles war perfekt.
Er passt einfach nicht hier hin, dachte sie angesäuert und warf einen verstohlenen Blick zum Nachbargarten.
Vor ca vier Wochen musste er in das nebenan liegende, leer stehende Haus eingezogen sein. Der jungen Frau war schleierhaft, wie man in diesem Gebäude wohnen konnte. Es sah schäbig und heruntergekommen aus. Der Vorbesitzer war vor Jahren verstorben und sehr lange hatte es gedauert, bis Erben gefunden waren, die nun das Haus wohl verkauft hatten, ohne jemals Ordnung im Inneren und im Garten zu schaffen.
In diesen Wochen hatte sie ihn immer mal
wieder sehen können, immer in dem gleichen Aufzug, nein, ab und zu trug er auch
eine Jogginghose, schleppte Möbel und Hausrat in einen Container, werkelte
hörbar bei weit geöffneten Türen und schauriger Schlagermusik, ja, er sang oder
pfiff sogar mit.
Dann kamen lärmende Menschen mit Farbeimern
und Pinseln, die auch in ähnlichen Jogging - Outfits von Zeit zu Zeit den
heruntergekommenen Garten, in den er zwei Bänke und einen langen Brettertisch
gestellt hatte, für Kaffee- oder Bierpausen nutzten. Genaues wusste sie
natürlich nicht, denn sie flüchtete dann immer sofort in ihr Haus, um nur nicht
auf die fröhlich über die Hecke fliegenden Rufe antworten zu müssen, konnte
also nur anhand der Geräuschkulisse erahnen, was passierte. Wahrscheinlich war
er nur ein einfacher Arbeiter und konnte sich nicht viel leisten, hatte aber
diese sogenannten Kumpel, die für Bier und Mettbrot gerne ihre Freizeit mit ihm
teilten, diesmal eben beim Streichen?
Sie mochte solche Menschen nicht, die
irgendwann an einem Punkt stehen geblieben waren und es nicht für nötig
hielten, weiterhin Leistung zu zeigen. Als Abteilungsleiterin einer Modefirma
hatte sie oft solche Mitarbeiter unter sich und die blieben nicht lange im
Unternehmen. Da war sie knallhart. Zeigte jemand nicht genug Leistung, war er
für das Geschäft nicht kompatibel und konnte wieder seine Sachen packen.
Sie ging ins Haus und schritt elegant den langen Flur entlang zu ihrem Schlafzimmer. Das gesamte Haus, ihr Anteil nach der Scheidung, hätte auch einer Wohnzeitschrift entspringen können. Nichts wirkte fehl am Platz, alles strahlte Sauberkeit und absolute Kühle aus.
Sie zog sich schnell um und wollte es sich gerade auf ihrer Couch im Wohnzimmer bequem machen, um noch ein paar Unterlagen aus der Firma durchzugehen, als sie plötzlich sah, dass das Lämpchen ihres Anrufbeantworters stetig blinkte. Wer konnte da versucht haben, sie zu erreichen? Zu Hause rief doch so gut wie nie einer bei ihr an. Freunde hatte sie nicht und der Kontakt zu ihren Eltern bestand kaum noch. Sie schämte sich für ihre Eltern, lebten sie doch sehr einfach und spartanisch in einem kleinen Ort und machten sich nichts aus modischen Dingen, Kultur und Ansehen. Fast bäuerlich hätte man deren Leben bezeichnen können, denn sie verbrachten die meisten Stunden des Tages in ihrem Garten.
Ihr selbst war schon früh klar gewesen, dass sie so wie ihre Eltern niemals leben wollte. Sie strebte nach Erfolg, Anerkennung und wollte sich einen Namen in der Geschäftswelt machen, nutzte dabei aber gerne die Ersparnisse der Eltern, die diese ihr für Fortbildungen zur Verfügung stellten.
Sie ging zum Anrufbeantworter und drückte auf die Taste, die das Band abspulte. “Guten Tag Frau Klingenfeld, mein Name ist Konrad Rademann. Sie haben sich vor einiger Zeit in unserem Haus als Marketing Managerin beworben und wir möchten sie gerne zu einem Vorstellungsgespräch morgen um 10 Uhr einladen. Wenn sie diesen Termin nicht wahrnehmen können oder möchten, melden sie sich bitte noch heute unter der Nummer….”
Katharina konnte es kaum glauben! Sie hatte es tatsächlich geschafft! Fast geschafft. Die größte Modefirma der Region lud sie zum Vorstellungsgespräch ein! Bald war sie da, wo sie immer hin wollte. Natürlich würde sie der Einladung folgen, da gab es gar keine Zweifel.
Ein triumphierendes Lächeln, das aber wenig Freude ausdrückte, lag auf ihrem Gesicht, als sie nochmals zu ihrem Kleiderschrank ging und überlegte, welches ihrer edlen Kostüme am ehesten dem Zweck entsprach.
Bereits um 9.45 Uhr des nächsten Tages saß sie in der Besucherecke ihres Wunscharbeitgebers und wartete nervös darauf, dass dieser sie endlich hereinbitten würde und sie ihren Arbeitsvertrag unterschreiben konnte. Sie zweifelte keineswegs daran, dass sie die Stelle antreten würde. In ihren Augen war sie sehr gut, perfekt, einfach die Beste. Seit Jahren arbeitete sie auf diesen Moment hin, hatte ihr Privatleben vollkommen vergessen und sich mit den bedeutendsten Geschäftsleuten der Modewelt in der Umgebung getroffen, um Beziehungen zu pflegen, die ihr eines Tages nützlich sein könnten.
Die Tür des Besprechungsraumes ging auf und die zauberte schon mal ein gewinnendes Lächeln auf ihren Lippen. Sie sah, dass zwei Herren aus dem Zimmer traten und eine dritte Person, eine Frau, verabschiedeten. Wahrscheinlich eine Mitbewerberin, schoss es ihr durch den Kopf und ein ärgerliches Gefühl trat in ihr auf, schließlich gehörte ihr der Job.
Als die beiden Männer die Frau endlich zum Ausgang geführt hatten, kamen sie auf die sich nun von ihrem Platz Erhebende zu.
“Hallo Frau Klingenfeld, ich bin Herr Rademann, der Geschäftsführer!” Ein gut aussehender Mann im schicken Anzug hielt ihr zur Begrüßung die Hand hin, zwinkerte leicht und lächelte verschmitzt. Doch sie brachte keinen Ton heraus. Blässe zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf Stirn und Oberlippe; sie fühlte sich wie gelähmt.
Vor ihr stand der neue Nachbar.
Sie ging ins Haus und schritt elegant den langen Flur entlang zu ihrem Schlafzimmer. Das gesamte Haus, ihr Anteil nach der Scheidung, hätte auch einer Wohnzeitschrift entspringen können. Nichts wirkte fehl am Platz, alles strahlte Sauberkeit und absolute Kühle aus.
Sie zog sich schnell um und wollte es sich gerade auf ihrer Couch im Wohnzimmer bequem machen, um noch ein paar Unterlagen aus der Firma durchzugehen, als sie plötzlich sah, dass das Lämpchen ihres Anrufbeantworters stetig blinkte. Wer konnte da versucht haben, sie zu erreichen? Zu Hause rief doch so gut wie nie einer bei ihr an. Freunde hatte sie nicht und der Kontakt zu ihren Eltern bestand kaum noch. Sie schämte sich für ihre Eltern, lebten sie doch sehr einfach und spartanisch in einem kleinen Ort und machten sich nichts aus modischen Dingen, Kultur und Ansehen. Fast bäuerlich hätte man deren Leben bezeichnen können, denn sie verbrachten die meisten Stunden des Tages in ihrem Garten.
Ihr selbst war schon früh klar gewesen, dass sie so wie ihre Eltern niemals leben wollte. Sie strebte nach Erfolg, Anerkennung und wollte sich einen Namen in der Geschäftswelt machen, nutzte dabei aber gerne die Ersparnisse der Eltern, die diese ihr für Fortbildungen zur Verfügung stellten.
Sie ging zum Anrufbeantworter und drückte auf die Taste, die das Band abspulte. “Guten Tag Frau Klingenfeld, mein Name ist Konrad Rademann. Sie haben sich vor einiger Zeit in unserem Haus als Marketing Managerin beworben und wir möchten sie gerne zu einem Vorstellungsgespräch morgen um 10 Uhr einladen. Wenn sie diesen Termin nicht wahrnehmen können oder möchten, melden sie sich bitte noch heute unter der Nummer….”
Katharina konnte es kaum glauben! Sie hatte es tatsächlich geschafft! Fast geschafft. Die größte Modefirma der Region lud sie zum Vorstellungsgespräch ein! Bald war sie da, wo sie immer hin wollte. Natürlich würde sie der Einladung folgen, da gab es gar keine Zweifel.
Ein triumphierendes Lächeln, das aber wenig Freude ausdrückte, lag auf ihrem Gesicht, als sie nochmals zu ihrem Kleiderschrank ging und überlegte, welches ihrer edlen Kostüme am ehesten dem Zweck entsprach.
Bereits um 9.45 Uhr des nächsten Tages saß sie in der Besucherecke ihres Wunscharbeitgebers und wartete nervös darauf, dass dieser sie endlich hereinbitten würde und sie ihren Arbeitsvertrag unterschreiben konnte. Sie zweifelte keineswegs daran, dass sie die Stelle antreten würde. In ihren Augen war sie sehr gut, perfekt, einfach die Beste. Seit Jahren arbeitete sie auf diesen Moment hin, hatte ihr Privatleben vollkommen vergessen und sich mit den bedeutendsten Geschäftsleuten der Modewelt in der Umgebung getroffen, um Beziehungen zu pflegen, die ihr eines Tages nützlich sein könnten.
Die Tür des Besprechungsraumes ging auf und die zauberte schon mal ein gewinnendes Lächeln auf ihren Lippen. Sie sah, dass zwei Herren aus dem Zimmer traten und eine dritte Person, eine Frau, verabschiedeten. Wahrscheinlich eine Mitbewerberin, schoss es ihr durch den Kopf und ein ärgerliches Gefühl trat in ihr auf, schließlich gehörte ihr der Job.
Als die beiden Männer die Frau endlich zum Ausgang geführt hatten, kamen sie auf die sich nun von ihrem Platz Erhebende zu.
“Hallo Frau Klingenfeld, ich bin Herr Rademann, der Geschäftsführer!” Ein gut aussehender Mann im schicken Anzug hielt ihr zur Begrüßung die Hand hin, zwinkerte leicht und lächelte verschmitzt. Doch sie brachte keinen Ton heraus. Blässe zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf Stirn und Oberlippe; sie fühlte sich wie gelähmt.
Vor ihr stand der neue Nachbar.
FvB 1998