Wer es verstehen kann, der verstehe es. Wer aber nicht, der lasse es ungelästert und ungetadelt. Dem habe ich nichts geschrieben. Ich habe für mich geschrieben. (Jakob Böhme)

Archibald Douglas

Meine erste Berührung mit Archibald Douglas


Gebannt hing ich an den Lippen unseres Deutschlehrers, Dr. Treude.
Schwer ging er im Raum umher….

„Ich hab es getragen sieben Jahr `
und ich kann es nicht tragen mehr…“

Voller Demut und doch auch flammenden Herzens trug er uns Archibald Douglas vor. Jedes Wort aus seinem Mund war ein Treffer in meinem Herzen.
Dieser Verfemte, getrieben von der Liebe zu seiner Heimat und gelenkt von der Treue seines Herzens, das ganz seinem König dienen wollte. Er bezog mich in sein Leben ein.
Er lud mich mit ein, auf dem harten Stein ein wenig zur Ruhe zu kommen, die müden Glieder zu strecken. Ich sah ihn vor mir…. „Er trug einen Harnisch, rostig und schwer…“
Ja, natürlich, er verbarg es unter seinem Pilgerkleid, wollte nicht als Ritter erkannt werden…
Mit inneren Augen empfand ich die Schwere seiner Lider, nachdem sein Blick noch einmal über Feld und Wald gewandert war…
Da…auch ich schreckte hoch…ich hörte… „vom Waldrand scholl es her, wie von Hörnern und Jagdgeleit.“
Und nun die Hilflosigkeit, aber auch der innige Wunsch, etwas klarzustellen. Die tiefe Verbeugung und doch in aller Würde die Bitte..

„König Jakob, schaue mich gnädig an und höre mich in Geduld!“

Ja, die Bitte um Geduld. Ging es mir nicht auch so oft so, dass ich etwas erklären wollte, in aller Ruhe, aber die Ungeduld der anderen mir die Lippen versiegelte?
Nun folgten die Aufzählungen der glücklichen Kindertage. Ja, ich fühlte sie. Erlebte ich doch immer wieder auf dem Lande, bei Verwandten, was glückliche Kindheit bedeutet. Wie sehr man
Menschen und Erinnerungen verbunden sein kann.

Doch dann, hart, unerbittlich-

„Ich seh` dich nicht, ich hör` dich nicht,
das ist alles, was ich kann,
ein Douglas vor meinem Angesicht
wär ein verlorener Mann!“

Ich fühlte den Schmerz, den Graf Douglas fühlte, ich erinnerte mich an viele eiskalte Stunden in der Kinderzeit, wenn die Eltern uns von sich stießen, Prügel, Keller, Arrest…
Archibald gab nicht auf, er kämpfte, er lief mit, er redete, er flehte, er bot die niedersten Dienste an…
Ja, so bettelten wir auch um „Gnade“, immer wieder, Angst vor Prügeln, aber mehr Angst vor dem Verstoßen sein.
Und dann die Entscheidung:

„Und willst du nicht, so hab einen Mut,
Und ich will es danken dir,
und zieh dein Schwert und triff mich gut
und lass mich sterben hier!“

Er wollte nicht mehr allein sein, nicht mehr umherirren, mit der Sehnsucht in sich.
Das gab dem ganzen die Wende, dieser Ausdruck, dieses Geständnis der Einsamkeit, dem alles überschattenden Wunsch nach Gemeinsamkeit, auch in den Erinnerungen.
Der König erkannte, dass er keinen Treueren neben sich haben konnte und nahm ihn auf.

Mein Lehrer schlug mich mit den Worten von Theodor Fontane in den Bann.
Noch heute, wenn ich an dieses Gedicht denke, es vortrage, dann fällt mir jene Schulstunde ein.
Und von diesem Deutschlehrer lernte ich, Gedanken in Worte, Reime, Zeilen zu fassen.Von ihm lernte ich, Gedichte zu verstehen, zu erleben.

Danke Doktor Treude.

FvB 1992