Noch eine
Dehnung, Streckung der Arme und Beine, Beugung des Rumpfes…aaaah!
Jetzt stehe
ich hier endlich auf dem Parkplatz, muss nach fünf Stunden Fahrt (Tank- und
Pippipausen klar, die mache ich zwischendurch) einfach ein wenig relaxen. Die
Autobahn ist richtig voll, Brummis und PKWs scheren ohne Blinken immer wieder
aus, so dass ich zu häufig zu einer Vollbremsung gezwungen bin. Ich muss ein
wenig abwarten.
Wieso
stürze ich mich auch in so ein vorprogrammiertes Chaos…nun, ich habe einfach vergessen,
dass andere Bundesländer andere Ferienzeiten haben. Ziemlich voll der
Parkplatz, viele streben der Raststätte zu, manche Fahrer liegen in ihren
Autos, allein oder mit Begleitung, und dösen oder schlafen
Zum Glück habe
ich noch einen Schluck Kaffee in meiner Thermoskanne und - leckere, gestern
extra angefertigte Frikadellen duften mir auch noch aus dem Korb entgegen.
Ich
schließe mein Auto ab und wandere, in einer Hand meinen Kaffeebecher, in der
anderen die mit einer Serviette umwickelte Köstlichkeit, am Rande des Parkplatzes
entlang, einem kleinen Weg folgend, der sich zwischen Bäumen zu einem Platz mit
Bänken und Tischen windet. Kurz überlege ich, denn es dämmert schon, doch nein,
es sieht verlockend ruhig aus und der Lärm der vorbeirasenden Blechlawine
verebbt, ich höre Vögel zwitschern und einen leichten Wind in den Zweigen.
Kleine plauschige Ecken nehme ich wahr, „schön für Familien, wenn sie hier
entspannen wollen“ höre ich mich sagen, während ich genussvoll in meine
“Wegzehrung“ beiße….hmmm, einfach nur lecker, die Zwiebelstücke genau auf den
Punkt, das Fleisch noch saftig – ich nehme immer Rindermett und statt Paniermehl
eine Scheibe Schwarzbrot, Senf, ja Senf ist auch ganz wichtig- „Upps“, im hohen
Bogen fliegt die gerade Besprochene durch die Luft, der Kaffee möchte mit,
schafft es aber nur mit einem Umweg über meine Bluse, während ich, auch wenn es
mir wie Zeitlupe vorkommt, mit Karacho über die Stolperfalle Wurzel Arme
wedelnd, Halt suchend, doch natürlich nicht findend, in einen Busch stürze, der
sich dann zu meiner Pein als Brombeerbusch entpuppt. Rubus sectio, Rosengewächs, schießt es mir durch den Kopf,
Rosen, Dornen, nein Stacheln, Aaauuuaaaa; ich komme natürlich jetzt gar nicht mehr
los, habe ich ein Stück Ärmel befreit, will mich drehen, hänge ich, was
besonders schmerzhaft ist, noch mit den langen Haaren in den gierigen Greifern,
die auch meine Hose nicht loslassen wollen.
„Schei…!
Nein, halt, sag es nicht.“ Selbstgespräche sind in solchen Momenten meine
Stärke.
„Na los,
loslassen, ich hab euch nicht mal ne Beere geklaut, auuutsch, Mist, auch das
noch!“
Nun doch
fluchend lecke ich schnell über die Blutspur am Arm, süßlich- toller Nachtisch-
schießt es mir durch den Kopf…
„Kann ich Ihnen
helfen?“ Dunkle Stimme, mein Kopf schießt herum, falsch, will herum, doch noch
hängen die Haare fest, aber ich knie wenigstens schon. „Och nee, danke, geht
schon...“
Verflixt,
wie peinlich ist das denn, nun stottere ich auch noch ein nein, statt zu
schreien jaaaa hilf mir!
Doch er lässt sich nicht abwimmeln, kenne ich eh
von Männern, wann tun die schon mal das, was wir wollen? Oder ahnt er, was ich
will, ja klar, er macht sich an meinen Haaren zu schaffen, sehr vorsichtig -
ich schiele auf große Hände und habe riesige Füße genau unter meiner Nase.
Donnerwetter, super gepflegte Schuhe, nicht mal ein Fliegenschiss Dreck
drauf…was hat er gesagt, ich hab nicht zugehört…
„Kommen
Sie, Sie können aufstehen“, dringt jetzt verständlich an meine Ohren. Eine der
großen Pranken schiebt sich unter meine Achsel…nein, nicht doch, ich bin doch mittlerweile
ganz verschwitzt, wie unangenehm, aber schon stehe ich, zack, meine Nase stößt
an eine Brusttasche…wouw, ist der groß.
Mit ein
wenig Knirschen lässt sich dann mein Halsgelenk doch soweit verbiegen, dass ich
beim gen Himmel schauen endlich ein Gesicht entdecken kann, das mit lustig
funkelnden Augen und - klar er lacht- sehr breitem Mund, der strahlende Zähne
blitzen lässt mich betrachtet und mir etwas aus dem Gesicht wischt.
„Na, können
Sie jetzt alleine stehen?“ „Ja, sicher, `tschuldigung, wollte nicht…!“
Reiß dich
doch zusammen!
„Danke für
die Hilfe.“ Na endlich, klingt ein wenig heiser und gestelzt, aber immerhin
muss ich mir ja noch ein etwas kratziges Blatt aus dem Mundwinkel wischen.
„Ich wollte
noch rufen, aber da lagen Sie auch schon. Ich bin auch über diese Wurzel
gestolpert, konnte mich aber noch abfangen.“
Klar, mach
mich doch nieder, wie ungelenk und plotschig ich bin, möchte ich ihm entgegen
schreien, aber nein, ich säusel nur: „Kam wohl ein wenig plötzlich und beide
Hände voll.“
„Kommen
Sie, ich begleite Sie zum Auto zurück, denn nun wird es mit Macht dunkel.“
Er nimmt
meinen Arm und führt mich zurück, ich merke es gar nicht, denn nun fühle ich
mich schon besser und auch sicher.
„Ich bin
sonst gar nicht so ungeschickt, danke für die Hilfe. So hatte ich mir meine
Pause nicht vorgestellt.“ Endlich kann ich wieder normal, ein wenig scherzend
reden und wir erreichen die ersten Autos, als plötzlich eine LKW- Tür
aufgerissen wird, ein bulliger, rotgesichtiger Mann sich mit den Worten: „Lass
die Frau los, du Wüstling!“ auf meinen Begleiter stürzt, und mit einem
gezielten Kinnhaken den Retter aus meiner Not zu Boden schlägt.
„Halt,
halt, was machen Sie denn?“ Ich kann verhindern, dass er auch noch einen
gehobenen Fuß zutreten lässt. „Was soll
denn das?“
„Wieso? Was
das soll? Schauen Sie Sich mal an, der hat Sie doch übel zugerichtet.“
Während ich
ein T-Shirt und eine Wasserflasche aus meinem Auto hole und den ein wenig
dusselig am Boden liegenden Helden mit dem Wasser abreibe, erkläre ich die
Situation.
Nach zehn
Minuten sitzen wir zu Dritt in der Raststätte und wissen vor lauter Lachen
nicht, wie wir noch vernünftig reden sollen.
Ich habe nach einem Blick in den Spiegel,
Toilette war mein erster Weg, erkannt, was der zweite Helfer gedacht haben
muss: zerrissene Bluse, Dreck, Blätter, Blutspuren, Überfallopfer, klar!
Erst nach
Stunden, als ich meiner Freundin von dem Erlebnis erzählte, fiel mir auf, dass
wir zwar unsere Namen genannt hatten, aber das war es auch schon. Schade…mein
schöner Becher liegt auch noch im Gebüsch